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Verzerrung – Nominalisierungen

Nominalisierung ist eine Art, wie Verzerrung in natürlichen Sprachsystemen zum Ausdruck gelangt. Ein Prozesswort oder Verb der Tiefenstruktur wird in der Oberflächenstruktur als Substantiv oder Gegenstand verzerrt. Der Prozess wird dabei verdinglicht. Nominalisierungen sind nicht mit den fünf Sinnen wahrnehmbar. Es sind abstrakte Begriffe, die jeder anders erfährt und empfindet. „Wir kämpfen um Freiheit.“ Wir füllen Worthülsen nur mit eigenen Bedeutungen. Freiheit kann finanzielle Unabhängigkeit bedeuten oder es kann auch Meinungsfreiheit gemeint sein.

Die Fähigkeit, Nominalisierungen zu erkennen, ist deshalb wichtig, weil dies dem Gesprächspartner hilft, sein sprachliches Modell wieder mit den dynamischen Prozessen des Lebens zu verbinden. Konkret hilft die Auflösung von Nominalisierungen dabei zuerkennen, dass etwas, das man für ein abgeschlossenes und nicht mehr seinem Einfluss unterliegendes Ereignis gehalten hat, in Wirklichkeit ein veränderbarer Prozess ist.

Der sprachliche Prozess der Nominalisierung ist ein komplexer Transformationsprozess, der ein der Tiefenstruktur zugehöriges Prozesswort, Verb (verändern) oder Adjektiv (frei) in der Oberflächenstruktur als Ereigniswort oder Nomen (Veränderung / Freiheit) erscheinen lässt. Der erste Schritt auf dem Weg zur Auflösung von Nominalisierungen besteht darin, diese zu erkennen.

Ich bereue meine Entscheidung, nach Hause zurückzukehren.

Das Ereigniswort „Entscheidung“ ist eine Nominalisierung. Demnach war in der Repräsentation der Tiefenstruktur ein entsprechendes Prozesswort oder Verb enthalten, im vorliegenden Fall das Verb „entscheiden“.

Ich bereue, dass ich mich dafür entscheide, nach Hause zurückzukehren.

Echte Nomen passen in den Leerraum im Ausdruck „ein(e) andauernde(r).…..“ insofern nicht hinein, als dadurch kein wohlgeformtes Resultat entsteht. Beispielsweise passen die echten Nomen „Stuhl“, „Drachen“, „Lampe“, usw. in diesem Sinne nicht in diese Wortgruppe –„ein andauernder Stuhl“, „ein andauernder Drache“ usw.

Hingegen passen Nomen wie „Entscheidung“, „Heirat“, „Scheitern“, die von den Verben der Tiefenstruktur abgeleitet worden sind, in den Leerraum hinein – beispielsweise „eine andauernde Entscheidung“, „eine andauernde Heirat“ usw. Du kannst also mit Hilfe dieses einfachen Tests deine Intuition trainieren.

 

Schritt für Schritt lässt sich die gesamte Vorgehensweise wie folgt beschreiben:

Schritt I:           Höre auf die Oberflächenstruktur.

Schritt II:           Frage dich für jedes Element der Oberflächenstruktur, das kein Prozesswort oder Verb ist, ob es ein Ereignis beschriebt, das in Wahrheit ein laufender Prozess ist, oder ob es ein Verb gibt, das so klingt/aussieht wie das Ereignis und das ihm in seinem Sinn nahe steht.

Schritt III:          Prüfe, ob das Ereigniswort in die Lücke des Syntaxrahmens „ein(e) andauernde(r/s)…“ passt.

 

Beispielsätze

Meine Scheidung ist schmerzhaft.                                 Dass meine Frau und ich uns scheiden lassen, ist schmerzhaft.

Das Lachen meiner Frau verursacht meine Wut. Dass meine Frau lacht, bewirkt, dass ich mich wütend fühle.

Ich verüble Ihnen Ihre Frage.                                         Ich verüble Ihnen, was Sie fragen bzw. die Art, wie Sie mich fragen.

 

Für den Umgang mit Nominalisierungen stehen uns verschiedene Möglichkeiten offen. Unter anderem können wir die Nominalisierung direkt in Frage stellen:

Wie genau hat X … Y (getan)?

In diesem Fall können wir direkt die Vorstellung hinterfragen, dass „die Entscheidung“ ein unwiderrufliches, feststehendes und abgeschlossenes Ereignis ist, von dem sich der Gesprächspartner dissoziiert.

Du fragst:         Kannst du dir eine Möglichkeit vorstellen, deine Entscheidung zu verändern?

oder

Was hindert dich daran, deine Entscheidung zu verändern?

oder

Was würde passieren, wenn du noch einmal über die Sache nachdenkt und dich dann entscheiden würdet, nicht nach Hause zurückzukehren?

 

In allen genannten Fällen zielen die Fragen auf eine Reaktion des Gesprächspartners, die beinhaltet, dass er die Verantwortung für den Entscheidungsprozess übernimmt. Alle drei Fragen helfen dem Gesprächspartner, die Verbindung zu seinem sprachlichen Modell der Welt, und zu den dort stattfindenden laufenden Prozessen, wiederherzustellen. Nominalisierungen sind sowohl psychologisch als auch linguistisch komplex und treten nur selten einzeln auf.

In den folgenden  Beispielsätzen werden Nominalisierungen sowie Tilgungen identifiziert und jeweils eine oder mehreren Fragen formuliert, die einerseits die Nominalisierung in eine Prozessform rückübersetzen und andererseits nach dem getilgten Material forschen.

 

Beispielsätze und Fragetechnik

Mein Schmerz ist überwältigend.                        Wen überwältigt es, dass du Schmerzen wegen wem/was empfinden?

Ich bekomme keine Anerkennung.                     Auf welche Art und Weise würdest du gerne anerkannt werden?

Ich habe Hoffnung.                                                     Worauf hoffst du?

Ich brauche Hilfe.                                                       Woran merkst du, dass dir geholfen wird?

Ihr auf  Voreingenommenheit basierender Verdacht ärgert mich.      Voreingenommen wem gegenüber? Welchen Verdacht haben Sie?

 

Bei dem Satz „Ich kämpfe für Geld“ handelt es sich um keine Nominalisierung, da Geld ein Substantiv ist, das sich mit den Sinnen wahrnehmen lässt (sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken).

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